22 August 2011

Tag der Entscheidung für Strauss- Kahn

100 Tage war seine Zukunft unklar. Jetzt steht die Entscheidung an. Wird Dominique Strauss- Kahn der Prozess wegen versuchter Vergewaltigung gemacht? Oder sieht sich die New Yorker Staatsanwaltschaft mangels Glaubwürdigkeit ihrer Zeugin gezwungen, das Verfahren gegen den Ex- Chef des Weltwährungsfonds einzustellen?

Die Entscheidung an diesem Dienstag (23. August) wird mit Spannung erwartet. Experten des amerikanischen Rechts tippen darauf, dass der Franzose, bis zu seiner Verhaftung am 14. Mai einer der mächtigsten Männer der Welt, mit einem blauen Auge davonkommt. Aber selbst wenn: In Paris wartet bereits die nächste Klage auf ihn, ebenfalls wegen sexueller Gewalt. Und sein Ruf ist seit der spektakulären Festnahme sowieso ruiniert. Die Chance, französischer Präsidentschaftskandidat zu werden, ist zudem verstrichen.

Verfahrenseinstellung möglich

Es spricht viel dafür, dass New Yorks Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurückzieht. In einem strafrechtlichen Verfahren wie diesem muss die Tat bewiesen sein, es darf keine Zweifel an der Aussage des mutmaßlichen Opfers geben. Das trifft auf den Fall Strauss- Kahn nicht zu.
Das New Yorker Zimmermädchen Nafissatou Diallo hat sich in Widersprüche verwickelt, auch nachweislich gelogen. So schilderte sie erst unter Tränen, wie sie in ihrer Heimat nacheinander von mehreren Männern vergewaltigt wurde, und gestand wenig später, die Geschichte erfunden zu haben.
Damit steht die Anklage auf wackeligen Beinen, und Manhattans Oberstaatsanwalt Cyrus Vance droht sich die Finger zu verbrennen. Verunsichert wegen des Mangels an Glaubwürdigkeit der 32- Jährigen, verzichtete Vance bereits auf die scharfen Auflagen des Hausarrests, denen sich Strauss- Kahn zunächst unterwerfen musste. Nur seine Pässe blieben einbehalten.
Nun muss die Staatsanwaltschaft Farbe bekennen. Glaubt sie, zwölf Geschworene von einem strafrechtlichen Vergehen überzeugen und den französischen Politiker hinter Gitter bringen zu können? Oder gibt sie auf? Die Entscheidung soll am 23. August fallen. Die Anwälte beider Seiten sind bemüht, Stimmung für ihren Mandanten zu machen.

Sex für Geld

So berichtete das Magazin "Newsweek" diese Woche, dass es bei der Begegnung zwischen dem wohlhabenden Strauss- Kahn und der Einwanderin aus Guinea in Westafrika, einer Witwe und alleinerziehenden Mutter, um Geld gegangen sein soll. Die Information wurde dem Magazin eigenen Angaben zufolge aus dem Kreis um Strauss- Kahn zugespielt.
Demnach stimmte Diallo angeblich Sex zu, schlug aber Alarm, als er nicht zahlen wollte. Beobachter schließen aus dem Vorgang, dass die Staranwälte des Angeklagten mit dieser Darstellung auch vor Gericht punkten wollen, sollte es denn zum Prozess kommen. Als "Opfer", das um den Verdienst für einen Liebesdienst geprellt wurde, dürfte Diallo weniger Verständnis bei der Jury finden als als Opfer brutaler Gewalt.
Dass Diallo in Strauss- Kahns Suite im edlen Sofitel- Hotel am New Yorker Times Square Gewalt erfuhr, soll inzwischen ein ärztlicher Befund bestätigt haben. Auch er sickerte diese Woche durch. "Ursache der Verletzung: Angriff. Vergewaltigung", heißt es laut Medienberichten darin.
Strauss- Kahns Anwälte waren empört über die Veröffentlichung. Ebenso empört hatte der Anwalt des Zimmermädchens, Kenneth Thompson, auf das Gerücht reagiert, seine Mandantin betätige sich gelegentlich als Sexarbeiterin.
Beobachter des Justizkrimis schließen nicht aus, dass beide Seiten insgeheim bereits über einen Vergleich verhandeln. Thompson hat in Diallos Namen eine Zivilklage gegen Strauss- Kahn eingereicht. Die Entschädigung für das Zimmermädchen könnte Millionenhöhe erreichen. Ungewöhnlich war der Zeitpunkt der Klage - noch vor Abschluss des Strafprozesses.

Zügige Strauss- Kahn- Verhandlung

Mittlerweile gibt es Stimmen, die in der Terminwahl einen klugen Schachzug zu erkennen glauben. Unter dem Druck beider Verfahren dürften Verhandlungen zwischen den Anwälten beider Seiten zügiger vorankommen, könnte Strauss- Kahn unter Umständen eher zu einem finanziellen Zugeständnis bereit sein und der Staatsanwaltschaft damit die Entscheidung erleichtern, besagt eine der Theorien.


(Quelle: APA)