20 August 2011

„Sieg für Mutter Indien“

Der indische Bürgerrechtler Anna Hazare hat am Freitag unter dem Jubel seiner Anhänger das Tihar-Gefängnis in Neu-Delhi verlassen. Er war drei Tage zuvor von den indischen Behörden vor einem geplanten Hungerstreik gemeinsam mit Anhängern aus Protest gegen die Korruption verhaftet worden. Der 74-jährige Aktivist kündigte an, nun seinen Hungerstreik abhalten zu wollen.

Beim Verlassen des Gefängnisgebäudes hob Hazare seine Arme und rief der Menge ein „Sieg für Mutter Indien“ zu. Er versprach seinen Anhängern, die Hungerstreikproteste so lange fortzusetzen, „bis Indien frei von Korruption ist“, bevor er den Schauplatz auf einem mit Flaggen dekorierten Lastwagen verließ.
Laut einem Sprecher des Aktivisten wollte Hazare nach seiner Freilassung ein Mahatma-Gandhi-Denkmal besuchen und dann zu einem zentralen Denkmal in Neu-Delhi reisen, wo die kommenden Proteste stattfinden sollen. Seine Entlassung war in ganz Indien übertragen worden, viele seiner Anhänger hatten vor dem Gefängnis kampiert.

15 Tage fasten mit Anhängern

Der Bürgerrechtler war am Dienstag festgenommen worden. Er weigerte sich, seine Zelle zu verlassen, bis seine Forderungen nach der Abhaltung eines öffentlichen Hungerstreiks erfüllt werden. Die Polizei wollte ihm ursprünglich nur einen Hungerstreik von drei Tagen zugestehen, er verlangte aber die Genehmigung für einen unbegrenzten öffentlichen Hungerstreik - notfalls bis zum Tod.
Am Donnerstag genehmigten die Behörden Hazare schließlich, 15 Tage lang mit seinen Anhängern auf einem öffentlichen Platz in Neu-Delhi zu fasten. Mit seiner Aktion will Hazare ein strikteres Antikorruptionsgesetz durchsetzen. In den vergangenen Tagen waren Hunderttausende Menschen in ganz Indien auf die Straße gegangen, um ihre Unterstützung für Hazare zu bekunden.

Kampf gegen Korruption seit 90er Jahren

Seit Anfang der 1990er Jahre kämpft Hazare mit seiner Bewegung gegen Korruption und Misswirtschaft in den indischen Behörden. Er bedient sich dabei des öffentlichen Hungerstreiks als Methode, um Druck auf die Behörden auszuüben. Die Kampagnen galten in der Vergangenheit unter anderem der Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes, dass die Behörden zur umfassenden Auskunft auf Bürgeranfragen verpflichtet. Die Kampagne konnte einen Erfolg feiern, als die indische Regierung im Jahr 2005 ein entsprechendes Gesetz erließ.


Zu Jahresanfang 2011 lancierte Hazare eine Kampagne zur Verschärfung des Antikorruptionsgesetzes. Ziel ist es, die Schaffung mächtiger lokaler und regionaler Ombudsmänner zu erreichen, die Korruption in den Behörden verfolgen sollen. Im April kündigte er an, nötigenfalls bis zu seinem Tode die Nahrungsmittelaufnahme zu verweigern, um das Gesetz durchzusetzen. Seine Anhänger haben dem Aktivisten, der den bürgerlichen Namen Kisan Baburao Hazare trägt, den Beinamen „Anna“ („großer Bruder“) verliehen.

Proteste quer durch die Schichten

Die Bewegung des 74-Jährigen hat in den vergangenen Monaten viel Unterstützung von indischen Medien und der aufstrebenden Mittelklasse des Landes erhalten, der die endemische Korruption Indiens ein Dorn im Auge ist. „Anna Hazare ist lediglich ein Katalysator, der der Stimmung der heutigen Mittelklasse entspricht“, schrieb ein Kommentator der Zeitung „The Times of India“.

Den Protesten in vielen Städten Indiens haben sich laut Berichten Studenten, Beamte und einfache Arbeiter angeschlossen. Manche Kommentatoren, berichtete der britische Sender BBC, hätten den zentralen Platz Jantar Mantar in Neu-Delhi, auf dem Hazare seinen Hungerstreikprotest abhalten will, bereits mit dem Tahrir-Platz in Kairo verglichen.

Umstrittener Vorkämpfer

Widerstand gegen die Proteste kommt von der indischen Regierung und Premierminister Manmohan Singh, der Hazare als „irregeleitet“ und als Gefahr für die parlamentarische Demokratie bezeichnet hat. Kritiker werfen Hazare Erpressung des politischen Systems und autokratische Methoden vor.
Hazare stütze sich bei seinem Kampf gegen soziale Probleme und Korruption auf repressive Methoden, etwa das öffentliche Auspeitschen von Alkoholkonsumenten in seinem Heimatort. Zudem, so heißt es in indischen Zeitungsartikeln, schrecke Hazare auch vor der Forderung nach der Todesstrafe für korrupte Beamte nicht zurück.

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(Quelle: news.orf.at)