26 August 2011

"Brauchen g'höriges Werkzeug"

Vorarlbergs Feuerwehren wollen nicht fusionieren. Und sie müssen auch nicht. Landesfeuerwehrinspektor Hubert Vetter übers Sparen und Zusammenlegen.

Hubert Vetter: Ich komme gerade aus Budapest. Die haben dort 120 Berufsfeuerwehren und 86 Freiwillige Feuerwehren. Sie bräuchten dringend mehr freiwillige. Das Innenministerium bat um Hilfe, was man da tun kann.
 
Und haben Sie helfen können?
Hubert Vetter: So was ist ein langwieriger Prozess. Aber die Ungarn kennen unser System noch aus der Monarchie. Vielleicht ist die Bereitschaft zur Freiwilligkeit dort nicht ganz so ausgeprägt.
 
Was könnte diese Bereitschaft denn fördern?
Hubert Vetter: Man muss jeder einzelnen Feuerwehr große Eigenständigkeit gewähren. Sie müssen ihren Kommandanten selber wählen können, der sich dann für Training und Ausbildung verantwortlich zeichnet.
 
Jede Feuerwehr braucht also ihre lokale Identiät?
Hubert Vetter: Letztlich schon.
 
Deshalb braucht selbst Müselbach eine eigene Feuerwehr?
Hubert Vetter: Das haben die auch; es gibt eine für Alberschwende und eine für Müselbach.
 
Warum ist eigentlich schon der Gedanke an Einsparungspotenziale bei der Freiwilligen Feuerwehr in Vorarlberg tabu?
Hubert Vetter: Wir denken ständig über Einsparungspotenziale nach. Es wird auch sehr viel gespart.
 
Zum Beispiel?
Hubert Vetter: Der Feuerwehrverband hat ursprünglich für 2009 geplant, ein Gebäude für die Heißausbildung zu errichten. Das haben wir jetzt auf 2013 verschoben. Wir sparen auch im Stützpunktwesen. Früher hatten wir zwei Atemschutzstützpunkte in Nenzing und Bregenz, mit jeweils zwei Körperschutzfahrzeugen. Heute haben wir dieses System durch einfachere Ausrüstungen in jedem der 36 Feuerwehrabschnitte ersetzt.
 
Wie groß ist Vorarlbergs Feuerwehr insgesamt?
Hubert Vetter: Wir haben rund 7000 Aktive und 1000 passive Mitglieder plus 800 Leute in der Feuerwehrjugend. Das Land hat 120 Orts- und 20 Betriebsfeuerwehren. Alles in allem verfügen wir über rund 400 Fahrzeuge.
 
Und was kostet das alles?
Hubert Vetter: Das kann ich so nicht beantworten. Aber 2010 haben Landesfeuerwehrfonds und Katastrophenfonds 3,256 Millionen Euro an die Gemeinden ausbezahlt.
 
Woher stammt das Geld?
Hubert Vetter: Jedermann, der eine Feuerversicherung hat, leistet eine Feuerschutzsteuer. Die Gemeinden unterstützen ihre Wehren außerdem individuell. Und die jeweilige Feuerwehr trägt bei Anschaffungen, wie zuletzt in Großdorf und Lingenau bewiesen, bis zu 25 Prozent der Kosten.
 
Die Berufsfeuerwehr ist in Ihren Augen keine Alternative?
Hubert Vetter: Berufsfeuerwehren kosten viel mehr, weil man das Personal zahlen muss. Und weil die Berufsfeuerwehr zentral gelegen sein muss, könnte sie nie und nimmer in Vorarlberg die Hilfsfrist von zehn Minuten einhalten. Hilfsfristen und Schutzziele orientieren sich an der Möglichkeit eines Menschen, im Rauch zu überleben. Binnen zehn Minuten muss all das passieren: Der Brand wird entdeckt, die Feuerwehr alarmiert, sie rückt aus, und dann muss sie im zweiten Stock des Gebäudes ohne Nutzung des Stiegenhauses Hilfe leisten. Dazu brauche ich Atemschutz, eine Leiter, eine Trage, Wasser und ein Kommando.
 
In Vorarlberg klappt das flächendeckend?
Hubert Vetter: Von Lochau bis Lech. Die Nordländer etwa haben rund zehn Mal mehr Brandtote wie wir.
Fällt die Erörterung von Feuerwehr- Zusammenlegungen nur wegen dieser Hilfsfristen so schwer?
Hubert Vetter: In Feldkirch hatten wir die ewige Diskussion, ob die sechs Feuerwehren wirklich nötig sind. Also haben wir ein deutsches Beratungsunternehmen engagiert, und siehe da: Die sechs Feuerwehren sind bedarfsnotwendig. In St. Gallenkirch, wo die neue Drehleiter des Montafons stationiert wird, wurde der Gedanke einer Zusammenlegung mit der Feuerwehr Gortipohl verworfen, weil wir bestimmte Ortsteile nicht mehr in gegebener Frist erreichen würden. In Bezau und Reuthe haben wir uns nicht für eine Zusammenlegung entschieden, sondern für zwei Gerätehäuser und eine gemeinsame Nutzung der Infrastruktur, weil das praktisch gleich teuer war. Im Zweifelsfall sticht die Eigenständigkeit? Hubert Vetter: Wie jeder Musikverein und jeder Fußballclub soll jede Feuerwehr ihr eigenes Heim haben. Aber zum Beispiel nicht einen eigenen Schlauchturm. Die Hörbranzer gehen schon lange nach Bregenz ihre Schläuche waschen.
 
Dennoch rufen öffentliche Spargedanken wütende Reaktionen hervor.
Hubert Vetter: Das ist eine hoch emotionale Diskussion.
 
Wie viele Drehleitern gibts eigentlich in Vorarlberg?
Hubert Vetter: Da muss ich nachrechnen. Es sind elf Drehleitern und zwei Hubrettungsgeräte.
 
Sind Einsatzfahrzeuge Prestigeobjekte?
Hubert Vetter: Für die jeweilige Feuerwehr? Sicher nicht. Natürlich, die Dinger werden immer größer, aber da kann ja die Feuerwehr nichts dafür. Aber Vorarlberg verzichtet z. B. komplett auf Großgerätschaften wie Mobilkräne usw. Tatsache ist: Jede Feuerwehr braucht ein gehöriges Werkzeug.
 
. . . und nicht ständige Fragen nach den Kosten?
Hubert Vetter: Unlängst hat die Höchster Feuerwehr einen Schäferhund aus einer Jauchegrube geholt. Der Hundebesitzer wird sicher nie mehr was gegen die Feuerwehr sagen. Und der Feuerwehrler, der freiwillig in die Jauche gesprungen ist – wenn dann einer kommt und fragt: Braucht‘s denn das? Was meinen Sie, wie wird der reagieren?
 
Die Katholische Kirche legt gerade Pfarreien zusammen.
Hubert Vetter: Der Unterschied ist: Die müssen.
 
Und die Feuerwehr muss nicht?
Hubert Vetter: Es gibt in Österreich Fälle, wo eine Feuerwehr mit einer anderen zusammengelegt werden muss, weil das Personal fehlt. Das wünsche ich mir niemals für Vorarlberg.
 
STICHWORT: Freiwillige Feuerwehr
Die Gründung von Freiwilligen Feuerwehren geht in Österreich auf die 1850er- Jahre zurück. Als erste Freiwillige Feuerwehr in der gesamten Monarchie gilt die im Jahr 1851 vom pensionierten Offizier Ferdinand Leitenberger im böhmischen Reichstadt gegründete Freiwillige Bürgerwehr. Vorarlberg verdankt die Gründung des Landesfeuerwehrverbandes einer Initiative der Feuerwehr in Bludenz. Nachdem deren ausgearbeitete Statuten 1875 unter dem Titel "Gauverband der Vorarlberger Feuerwehren" von der Stadthalterei in Innsbruck genehmigt worden waren, wurde am 1. Juli 1875 bei der ersten Delegiertenversammlung der damalige Bürgermeister von Dornbirn, Dr. Johann Georg Waibel, zum ersten Verbandsobmann gewählt. Die Bregenzerwälder führten als eigener Verband bis 1938 ein Eigenleben.
 
 
(Quelle: VN)