24 Juli 2011

Sommergespräch: „Verbrannt zu werden, finde ich angenehm“

Chris Lohner, die bekannteste Stimme Österreichs, über das Altern in Würde, den Vorzug der Feuerbestattung und ihr junges Interesse an Kommunikation ohne Worte.













In Ihrem Horoskop steht: „Wenn es heute zu einer spontanen Begegnung kommt, hat Venus ihre Finger im Spiel.“ – Glauben Sie an Horoskope?
Chris Lohner: Nicht an die, die in der Zeitung stehen. Die sind amüsant. Aber ich bin lange genug auf der Welt, dass man merkt: Das ist sicher ein Zwilling oder ein Wassermann. So wie ich glaube, dass ein Land ein Psychogramm hat, wie man sagt: Die deutsche Nation ist fleißig, wir haben einen b‘sonderen Schmäh.

Sie vertrauen auch Menschen, die Horoskope erstellen – zumindest Gerda Rogers, die Ihren Cairn Terrier betreut, wenn Sie wegfahren?
Lohner: Das ist nicht die Voraussetzung. Die Gerda ist eine gute Freundin. Sie liebt meine Shirley und freut sich, wenn sie sie hat.

Was bedeutet ein Hund für Sie? Ist er auch ein Mittel, sich fit zu halten?
Lohner: Ich halte sie für eine Seelenwärmerin, ein lustiges Familienmitglied, ein ewiges Baby. Mit dem Hund zu gehen, ist aber kein Fitnessprogramm. Sie muss ja stehen bleiben, schnuppern. Fit halte ich mich mit Tennis, Pilates, dem Laufband.

Sie haben gerade den 68. Geburtstag gefeiert. Herzlichen Glückwunsch!
Lohner: Danke!

Sind Geburtstage für Sie bedeutsam?
Lohner: Das ist mein persönlicher Silvester, aber die Zahl? Das Alter spielt keine Rolle, außer man ist ein Käse, hat mir ein Freund geschrieben. Es ist ja schön, wenn man sich weiterentwickelt. Das ist auch der Sinn des Lebens. Man bleibt nicht ewig 20, Interessen verändern sich. Da gehen neue Fenster auf.

Wie definieren Sie alt? Ich nehme einmal an, Sie fühlen sich nicht so?
Lohner: Ich bin aber alt. 68 ist nicht jung. In unserer Gesellschaft gibt es halt diese Skala. Alt ist bei Tep­pi­chen, Autos, Schmuck und Gemälden etwas Kostbares. Beim Menschen soll es nicht so sein? Das versteh‘ ich nicht, aber ich weiß, dass die Gesellschaft damit ein Problem hat. Bei allem, was alt ist am Menschen, muss man schauen, dass man es wegkriegt, vielleicht in ein Heim – so wie wir auch sonst eine Wegwerfgesellschaft sind. Alte Menschen haben uns Wege geebnet, gekämpft dafür. In Afrika ist ein alter Mensch angesehen, das würde ich mir auch für hier wünschen.

Einer Kollegin haben Sie erklärt, dass Sie glauben, 104 Jahre alt zu werden. Machen Sie dann immer noch Ansagen – am Weltraumbahnhof? Oder ist irgendwann Schluss mit Öffentlichkeit?
Lohner: Das war Spaß, aber prinzi­piell glaube ich, dass ich sehr alt werde. Ich werde oft gefragt: Warum gibst ka Ruah? Aber ein kreativer Mensch, dessen Hirn noch intakt ist, wird immer krea­tiv bleiben. Ich habe halt Berufe, die nach außen wirken.

Das ist wahrscheinlich uncharmant, aber denken Sie zunehmend über den Tod nach?
Lohner: Ich hab‘ in meinem ersten Buch („Keiner liebt mich so wie ich“, Anm.) ein ganzes Kapitel über den Tod geschrieben. Er ist unser ständiger Begleiter. Daran sollte man sich gewöhnen. Man kann schlafen gehen und am nächsten Tag nicht mehr aufwachen. Der Tod ist nicht erschreckend. Erschreckend ist ein endloses Leiden.

Haben Sie vorgesorgt, ob Sie bestattet oder verbrannt werden wollen?
Lohner: Ich will verbrannt werden.

Warum?
Lohner: Ich finde das angenehm – für die Umwelt. Die Toten auf der Welt nehmen den Lebenden so viel Platz weg. Ich weiß z. B. von Kairo, dass die Menschen am Friedhof leben. Wir sind ja mittlerweile sieben Milliarden Menschen.

In einem Interview vor sieben Jahren haben Sie gesagt, Sie wüssten nicht, ob Sie sich einem Schönheitschirurgen anvertrauen würden, wüssten aber auch nicht, wie Sie in zehn Jahren denken. Hat sich etwas geändert?
Lohner: Nein, ganz im Gegenteil! Ich bin ja neugierig, wie ich ausschaue, wenn ich alt bin, welche Geschichte mein Gesicht dann erzählt! Das kann ich ja nie wissen, wenn man mir das weggeschnitten hat. Ich muss aber dazusagen, dass ich genetisch Glück hab‘. Es gibt Frauen, die unglücklich sind, weil sie runzelig sind. Aber dann sollten sie zum besten Schönheitschirurgen gehen und lieber auf zehn Urlaube verzichten.

Neben dem roten Pagen­kopf ist die Stimme Ihr Markenzeichen. Wie wichtig ist die Stimme anderer, können Sie länger mit wem im Raum sein, dessen Stimme Sie schrecklich finden?
Lohner: Mit dem Alter wird man geduldiger. Eine Stimme kann mich nicht aus einem Raum vertreiben. Blödheit schon. Es kommt darauf an, was gesagt wird. Man kann auch mit einer wunderbaren Stimme die größten Blödheiten sagen.

Sie sind mit Bundespräsidentengattin Margit Fischer ins Gymnasium gegangen. Hat das mitgespielt, dass Sie 2009 im Personenkomitee für Heinz Fischer waren?
Lohner: Schon, aber ich hätte es nicht gemacht, wenn ich ihn nicht schätzen würde. Er ist großartig, ein gescheiter Mann, hat einen feinen Humor und vertritt Österreich, wie es sich gehört.

Halten Sie sich für einen politischen Menschen?
Lohner: Ja, sicher. Ich glaube, dass jeder Mensch politisch ist, der in die Gesellschaft eingebunden ist.
Sie touren mit dem Programm „Nein, ich will keinen Seniorenteller“ durchs Land. Wenn Sie

Seniorenpolitikerin wären, was würden Sie abschaffen oder einführen?
Lohner: Schwer zu sagen. Ich finde, dass alte Menschen länger in ihrem Umfeld sein sollten. Ich würde sie auch nicht an den Stadtrand geben. Toll finde ich Heimprojekte mit Kindergärten. Da kriegen die Kinder Zugang zu den alten Menschen und die Älteren ein ganz anderes Wachsein, ein Gebrauchtsein. Das ist ja das Wichtigste. Ganz grauenhaft finde ich, wenn man sie mit 90 mit einem Fremden in ein Zimmer steckt. Das ist degoutant: Der andere liegt daneben, wenn einem der Hintern gewaschen wird. Man sagt immer: in Würde altern. Ich verliere meine Würde schon nicht – aber man kann sie mir nehmen!

Sie legen großen Wert auf Unabhängigkeit, Eigenständigkeit. War es da nie Thema, Ihren Mädchennamen zu behalten bzw. nach der Scheidung wieder anzunehmen?
Lohner: Ich habe Keprda geheißen – ein tschechischer Name – und musste das immer buchstabieren. Lohner ist praktischer, und ich bin ja nicht schlecht geschieden. Unabhängigkeit findet in dem statt, wie ich lebe, nicht wie ich heiße.

Sie haben einen Hang zur Selbstparodie, wenn Sie etwa im TV-Krimi aus dem Fernsehgerät schauen und sich über sich selbst lustig machen. Wo ist für Sie die Grenze, was würden Sie nie tun?
Lohner: Ich würde nie ins Dschungelcamp gehen. Man darf über sich selbst lachen, Humor ist nach der Liebe das Wichtigste im Leben. Aber alles, was den guten Geschmack verletzt, sollte man lassen – wenn ich das Gefühl habe, das ist unter der Gürtellinie oder verletzt meine Ästhetik. Aber da hat jeder eine andere Grenze.

Manche auch gar keine?
Lohner: Ja, bei manchen fehlt dieses Organ.
Sie engagieren sich für humanitäre Projekte, besonders die Blindenhilfe. Und Sie sehen phantastisch aus.

Angenommen, man bietet Ihnen 100.000 Euro für Afrika, aber die Bedingung ist, nackt auf der Ringstraße zu paradieren.
Lohner: Ich würde es nicht tun. Für kein Geld, weil ich den Zusammenhang nicht seh‘. – Übrigens lerne ich im August die Gebärdensprache!

Ja?! Dafür gibt es sicher einen guten Grund?
Lohner: In Afrika bin ich viel bei Gehörlosen, und ich habe das Buch der gehörlosen Abgeordneten Helene Jarmer präsentiert: „Schreien nützt nichts“. Eine tolle Frau! Das Buch hat mich sehr berührt. Wir lernen Sprachen, damit wir im Ausland mit anderen kom­mu­ni­zieren können, aber mit den Gehörlosen im eigenen Land können wir das nicht. In Amerika lernt das jeder Polizist und Feuerwehrmann.

Mit dem „Seniorenteller“ gastieren Sie am 28. Juli auch in Seefeld. Was muss unbedingt in den Koffer für Tirol?
Lohner: Schuhe, mit denen ich gut im Wald spazieren gehen kann! Ich finde, die Tiroler Wälder haben die schönsten Bäume und dicksten Ameisenhaufen!

Die Berge ziehen Sie weniger an?
Lohner: Ich bin ein Som­mer­mensch, ich brauche eher das Meer.

Nach Ihnen ist eine S-Bahn-Garnitur benannt. Tirol hat die Debatte um die Namen der Berge. Was hielten Sie von einer Lohner-Spitze?
Lohner (lacht): Es gibt schon Lohner-Berge – da müsste man mit der Schweiz verhandeln . . .
Wäre Ihnen ein Lohner-Dorf in Afrika lieber?
Lohner: Nein, für die Menschen dort bedeutet das ja nichts. Aber die Idee, dass ich eine kleine Spur hin­ter­las­sen habe, dass es ein paar Menschen besser geht, weil ich etwas gemacht habe, die finde ich schön.


(Quelle: TT.com/Liane Pircher/telfser.com)